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10 Minuten Heimatkunde mit Altbürgermeister Anton Klotz Vom „Todenwächter“ bis zur „üppigen Leich“

Haldenwang, den 16. 03. 2023

Die Achtung vor dem Tod und die Sehnsucht nach dem ewigen Leben sind in der Seele der Menschheit tief verwurzelt. Im kirchlichen wie auch im kommunalen Geschehen hatte daher das Bestattungswesen immer schon eine besonderer Bedeutung.

Wie im letzten Gemeindeblatt berichtet, war in Haldenwang der Mangel an Gräbern in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder ein Thema, zumal schon im 16. Jahrhundert auch die Verstorbenen aus der Pfarrfiliale Börwang in Haldenwang beerdigt werden mussten. Der Grund: Die Laubenberger, die letzten Ritter von Wagegg, waren in der Kapelle St. Leonhard begraben. Nachdem dieses Geschlecht sich aber ehedem zu den Thesen Martin Luthers und des Sektierers Karl Schwenckfeld bekannt hatte, ist auf Antrag des damaligen Haldenwanger Pfarrers Kaspar Hopp Kapelle und Friedhof in Börwang nach kirchlichem Recht entweiht worden. Damit waren katholische Gottesdienste und Beerdigungen im Gottesacker um die Kapelle nicht mehr erlaubt. Über 100 Jahre, bis weit nach dem 30jährigen Krieg (1618-1648), dauerte dieser Zustand.

„Todenschauer“ und „Todenwächter“

Mit dem Willen der Landesdirektion, den zu kleinen Gottesacker um die Pfarrkirche Haldenwang nach Außen zu verlegen, verlangte 1803 das königliche Landgericht Kempten, dass die „Pfarrey Haldenwang ein Todenhaus, einen Todenschauer und Todenwächter“ haben müsse. Mit einem Totenhaus wurde es vorerst nichts, zumal ein vorgesehenes „Hirtenhaus“ in Haldenwang nicht angenommen wurde. Zum Leichenschauer wurde ein Joseph Stefan bestellt, „da er nächst der Pfarrkirche wohnt“. Werden Totenwächter benötigt, sollten Nachbarn diesen Dienst übernehmen, „indem sich kein Individuum allein getraut und angenommen hat“. Dass bei den Totenwachen und beim Leichenmahl die leibliche Stärkung nicht zu kurz kam, zeigen die Ausgaben für Totenwache und Beerdigung der im Jahr 1893 verstorbenen Lehrerswitwe Regina Herb aus Haldenwang (siehe Aufstellung).

Leichenhaus und Leichenwagen

1880 wollte die Gemeinde einen „würdigen“ Leichenwagen anschaffen. Zwei Rösser sollten ihn ziehen. Um die Kosten bewältigen zu können, war vorgeschlagen, die Gemeindeumlage von 60 auf 80 Pfennig anzuheben. Bei einer Gemeindeversammlung ist jedoch dieser Vorschlag mit 112 gegen 72 Stimmen abgelehnt worden.

Nachdem die Gemeinde im Jahr 1897 Grundstücke erworben hatte und 1899 ein neuer Friedhof an der heutigen Römerstraße eingeweiht wurde, ist 1922 unser Leichenhaus gebaut worden. Aus heutiger Sicht völlig unverständlich hat die Gemeinde jedoch folgendes verfügt: „Die Überführung von Toten zum Leichenhaus darf nur unter Beteiligung des nötigen Leichenpersonals und in Begleitung des Geistlichen ab der Pfarrkirche erfolgen. Ein Trauerzug Leidtragender soll nicht stattfinden“.

1963 wurde an Stelle des pferdebespannten Leichenwagens ein einachsiger Anhänger für Motorfahrzeuge beschafft. Aus den Rücklagen des Jagdschillings unterstütze die Jagdgenossenschaft den Kauf und Roman Lander aus Stoßberg erhielt den Auftrag für Transport und Überführung des Sarges vom Sterbeort zum Friedhof. Aber schon fünf Jahre später wurde der Anhänger stillgelegt und verkauft. Von nun an hatten Bestattungsinstitute diesen letzten Dienst übernommen.

 

         

Rechnung für Totenwache - ins Haus geholt:

   
     

Mark

Pfennig

13. Juni

22 Liter Bier, 5 ½ Pfund 13Käs

8

40

14. Juni

5 Stück Schübling, 11 Liter Bier, Senf

3

30

15. Juni

15 Liter Bier, 2 Schübling, 2 ¼ Pfund Käs

4

97

 

Wacholder, im Ganzen 2 Liter

1

40

Die Kosten für das Leichenmahl im Gasthof „Hirsch“:

   
 

60 Personen

Essen a´ 1 Mark

60

 
 

60 Personen

Bier, 80 Liter

19

20

 

60 Personen

Brot

 

80

   

Zuckerwasser, 8 Halbe

 

80

   

Cigarr 7 Stück

 

42

 

Herr Lehrer Essen und Bier

1

18

   

Kaffee

 

20

   

Waibel und Schieß, Essen und Bier

3

24

   

Zum Lehrer ins Haus: Suppe

 

40

   

Frau Ullemayr ins Haus geholt: Suppe

 

50

In der unteren Stube verzehrt:

   
   

Für den Boten Essen und Bier

1

48

   

40 Halbe Bier, 9 Stck. Cigarr, 12 Pfund Brot

5

46

   

Futter für Pferd und Stallgeld v. Maurus

 

80

     

Summe:

 

114

75

         
         


Das Leichenhaus in Haldenwang, 1922 erbaut. Mittelfristig soll es erweitert und behindertengerecht umgebaut werden

 

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