10 Minuten Heimatkunde mit Altbürgermeister Anton Klotz
Der „Leichenacker“ – eine bewegte Geschichte
Der Haldenwanger Friedhof ist in den Blickpunkt von Bürgermeister und Gemeinderat gerückt. Die Mauer mit Metallzaun soll saniert, zentrale Wege befestigt und das Leichenhaus erweitert bzw. behindertengerecht umgebaut werden. Seit 1899 ist der Haldenwanger Gottesacker an der heutigen Römerstraße Sache der Gemeinde. Früher waren die Gräber um die Kirche angeordnet und die Pfarrei für alles zuständig. Doch Sorgen wegen Platzmangel und marodem Mauerwerk gab es immer schon…
Verstorbene ohne Sarg begraben
Schon im 16. Jahrhundert war das Gräberfeld in Haldenwang zu klein. Pfarrer Ulrich Gruß ((1491-1522) hat ehedem in einem Schriftstück bedauert: „“Der Freithof bey der Pfarrkirch ist nit groß, deßwege die Verstorbene ohne Todtebaare oder Bomb (Sarg), wie mans pflegt zue nennen, begraben werden, außer Kindbettern und Wassersüchtigen, dene ein Bahr vergunnt wirdt. Allda ausgenommen sei die Weihdachsmihl, St. Magni Pfarr, welcher Inhaber ungefähr vor 64 Jahren das Vorzaichen an der Pfarrkirchenthür mit Mauerwerkh versehen und hat machen lassen“.
1699 übereignete das Kloster Ottobeuren im Tausch die Pfarrei Haldenwang an das Fürststift Kempten. An der Not in der Bevölkerung änderte sich allerdings nichts. Wegen der zerfallenden Mauer um den Gottesacker schrieb daher der Haldenwanger „Heyligenverwalter“ (Kirchenverwalter) einen Brief an das Fürstift Kempten mit der höflichen Bitte um eine finanzielle Unterstützung.
Dieser Schriftsatz (gekürzt und zum besseren Verständnis geglättet) kann heute auch Aufschluss geben über die damalige untertänige Ergebenheit des Volkes gegenüber den Herrschenden.
(Brief zweispaltig)
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Stüfft Kempten, den 3. Martii 1758
Hochwürdige Freyreichs, Hochwohlgeborene Freyherren,
Wohledelgeborene Hochwohledle und Hochgelehrte,
Gnädige Hochgebietende, auch Hochgeehrtiste
Herrn Herren!
Als untertänigster Heyligenpfleger von Haldenwang erwage ich anzuzeigen, dass vielenteils Kirch- und Gottesackermaur eingefallen ist. Mit Beizug des allhiesigen hochlöblichen Baudirektoris Galler in Augenschein genommenen ruinösen Gemäuer soll instanti gesetzt werde, um größere Schaden zu vermeiden. Die für die Reparation auflaufenden Kösten mit über 100 Gulden sind tunlichst nicht zu vermeiden….
…Also habe ich mich getraut bei der Hochfürstlichen Hofkammer untertänigst anfragen zu wollen, wie und von wem die aufgewandte Kösten zu bezahlen seien.
Der ich mich zu ferneren hochen Gnaden gehorsambst empfehle und mit schuldigster Ergebenheit ersterbe.
Euer Hochwürden und Grafen, auch Wohl- und Hochedelgeborenen,
meiner gnädig hochgebietend, auch hochgeehrtiste Herrn Herren
Untertänigst gehorsamster
Fr.Xav. Schreiber
Heyligenverwalter
Den Friedhof nach Außen verlegen
Nachdem über Jahrzehnte hinweg immer wieder die Forderung laut wurde, den Gottesacker zu erweitern, verlangte 1804 die für das Leichenwesen zuständige Landesdirektion den Friedhof an der Pfarrkirche aufzulösen und nach Außen zu verlegen. In Haldenwang verpuffte diese Forderung. 1868 ging es erneut um die Erweiterung des Friedhofes. Die meisten Gemeindemitglieder waren aber der Ansicht, nach Entfernung der alten Kreuze und Grabsteine sei für zu Bestattende genug Platz vorhanden.
Erst Jahrzehnte später, 1897, erwarb die Gemeinde Grundstücke für einen neuen Gottesackers. Am 23. Oktober 1899 wurde auf dem heutigen Standort ein neuer Friedhof eröffnet und feierlich gesegnet. Im alten Gottesacker an der Pfarrkirche mussten die Eigentümer der Gräber bis zum 1. Oktober 1901 alle Steine und Kreuze entfernen.
Die neue Bestattungsanlage ging an die politische Gemeinde über. Der Preis für ein Einzelgrab betrug anfangs fünf Mark. 1923 wurde das heutige Leichenhaus errichtet.